Im Dezember 2013 konnte als erste umfangreiche Renaturierungsmaßnahme des Perspektivkonzeptes Erft 2045 die Verlegung der Erft bei Bergheim-Kenten abgeschlossen werden. Der notwendige Planfeststellungsbeschluss erging im November 2012 durch die Bezirksregierung Köln. Ziel der Maßnahme war der Bau eines neuen 1,3 km langen mäandrierenden Flusslaufes für die Erft. Die Gestaltung der Neutrassierung mit einer Breite von 18 bis 35 m und einer mittleren Tiefe von 1,25 m orientierte sich am Leitbildtyp eines „kiesgeprägten Fluss des Tieflandes“. Zur Begrenzung der Versickerung in den Untergrund war eine mineralische Abdichtung der Gewässersohle vorgesehen. Der geradlinig und gleichförmig gestaltete, durch Wasserbausteine „gefesselte“ Flutkanal wurde auf 630 m aufgegeben und verfüllt.
Im Februar 2013 startete die Umsetzung der Maßnahme mit den notwendigen Fällarbeiten für den Gewässerlauf und die neu anzulegenden Wege. Anschließend wurde das Baufeld durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst der BR Düsseldorf untersucht. Im Rahmen dieser Untersuchungen erfolgte am 30.04.2013 die kontrollierte Sprengung einer 5 Zentnerbombe, die vorab im Baufeld gefunden worden war.
Parallel zu den vorbereitenden Maßnahmen erfolgte im Frühjahr ein Vergabeverfahren nach VOB/A für die Erdbauarbeiten des Gewässer- und Wegebaus. Zum Leistungskatalog gehörte die Neuanlage des naturnahen Gewässerabschnittes, die Verfüllung des Erftflutkanals und der Bau von ca. 900 m Rad- und Fußwegen, die auch forstlichen Ansprüchen genügen. Anfang Juni wurde das für den Erftverband wirtschaftlichste Angebot zum geprüften Gesamtpreis in Höhe von ca. 1,1 Mio € inkl. Mehrwertsteuer beauftragt. Die Maßnahme wurde noch im selben Monat begonnen. Von den Bauarbeiten zu Herstellung des neuen Gewässerlaufs waren Versorgungsleitungen betroffen. So kreuzt z.B. das neue Gewässer jeweils im Bereich der Anschlüsse an den Flutkanal eine parallel zu diesem verlaufende Erdgashochdruckleitung, die an diesen Stellen mit zwei Dükern versehen wurde.
Die Schwermetallbelastung der Auenböden machte die Erarbeitung eines Bodenmanagementkonzepts im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erforderlich. Das Konzept sah die Verwertung des Bodenmaterials innerhalb des Projektgebietes gemäß § 12 Abs. 10 der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung vor. Damit wurde das Verschlechterungsgebot eingehalten werden. Wesentliches Ziel des Bodenmanagements war somit der Ausgleich von Aushub und Verwertung der Bodenmassen im Maßnahmenbereich. In der Summe fielen beim Aushub der neuen Erft ca. 52.200 m³ Boden an verteilt auf ungefähr 9.710 m³ Oberboden, 15.790 m³ bindigen Unterboden und 26.700 m³ Sand / Kies. Bei Gestaltung der neuen Gewässersohle wurden 21.200 m³ Sand / Kies eingebaut. Davon 5.500 m³ vermischt mit der gleichen Menge an angeliefertem Schluff als Dichtung, der Rest als Kiesabdeckung (s. Abb. 3). Der Einbau in Wälle benötigte 2.600 m³ bindigen Boden. Der Rest (ca. 9.310 m³ Oberboden, 12.370 m³ Unterboden und 1.200 m³ Sand / Kies) wurde für die Verfüllung des Erftflutkanals verwendet.
Abb. 1 (abb1.jpg): Herstellung der Dichtungsschicht und Aufbringung Kiesabdeckung für das neue Gewässerbett
Nach rund fünf Monaten Bauzeit wurde der neue naturnah gestaltete Gewässerlauf der Erft im November 2013 fertiggestellt. Am 12.11 nahm der Erftverband den neuen Abschnitt in feierlichem Rahmen in Betrieb und leitete die Erft mit einem Teilstrom in ihr neues Gewässerbett um (s. Abb. 2). Am 3.12. erfolgte schließlich der vollständige Umschluss und der abgedichtete Flutkanal wurde an 3 Einsatztagen mit Unterstützung eines Fachunternehmens unter großer Teilnahme der Öffentlichkeit elektrisch abgefischt. Erst hiernach begannen die Arbeiten zur Verfüllung des alten Gewässerverlaufs und die Fertigstellung der neu angelegten Wege im Auenbereich.
Abb. 2: Zülpichs Bürgermeister Albert Bergmann (Vorsitzender des Erftverbandsrats), Bergheims Bürgermeisterin Maria Pfordt, Erftverbandsvorstand Norbert Engelhardt und Ministerialrat Gerhard Odenkirchen geben den Startschuss für die Umleitung der Erft in das neue Gewässerbett
Der Erftverband plant in Zusammenarbeit mit dem Forstamt Kerpen auf dem ehemaligen Flutkanal und weiteren Flächen ca. 2,3 Hektar Wald aufzuforsten. Die Bepflanzung ist u.a. zum Schutz der Anwohner vor übermäßigen Schwärmen der Zuckmücke vorgesehen. Voraussichtlich kann die abschließende Bepflanzung in Abhängigkeit vom Witterungsverlauf und dem Fortschritt der Vegetationsperiode erst im Winter 2014/15 erfolgen. Für die bis dahin ungenutzten Flächen ist eine Zwischenbegrünung vorgesehen.
Um das Projekt Anwohnern und der interessierten Öffentlichkeit vorzustellen, präsentierte sich der Verband Mitte Juli auf dem Infotag Erftaue der Entwicklungsgesellschaft Bergheim. Neben Information zum Projekt wurden nachmittags zwei geführte Besichtigungen der Baustelle angeboten. Nach dem raschen Fortschritt der Erdarbeiten, die das neue Bett der Erft deutlich erkennen ließen, wurden im September erneut zwei geführte Besichtigungen durch den Erftverband angeboten. Das Pilotprojekt rief insgesamt ein reges öffentliches und mediales Interesse hervor, das sich in Beiträgen im Regionalfernsehen und im Rundfunk sowie auch in zahlreichen Presseartikeln zeigte. Der Erftverband selber hat die Baumaßnahme durch das Unternehmen Happy Endings Film aus Aachen filmisch begleiten lassen. Die Kosten für die Filmproduktion wurden durch die EU im Rahmen des ERCIP Projektes (European River Corridor Improvement Plans, INTERREG IVC Programm) an dem der Erftverband als Projektpartner beteiligt ist gefördert.
Die Kosten für die naturnahe Umgestaltung der Erft betragen rund zwei Millionen Euro und werden zu 80 Prozent vom Land Nordrhein-Westfalen gefördert. Hauptziele dieser Maßnahme sind die Verbesserung des ökologischen Gewässerzustandes und der Hochwasserschutz bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Naherholungsfunktion. Die eigendynamische Entwicklung des neuen Gewässerabschnittes ist grundsätzlich erwünscht. Eintretende Erosions- und Ablagerungsprozesse, die zur Veränderung der Gewässergestalt führen, wurden durch den Einbau von Totholz gefördert. Dementsprechend lassen sich schon wenige Wochen nach der endgültigen Umleitung in das neue Gewässerbett erste Erosionserscheinungen in Form von Uferabbrüchen beobachten (s. Abb. 3).
Uferbefestigungen wurden lediglich im Ein- bzw. Ausmündungsbereich und im Bereich einer kreuzenden Gasleitung angelegt. Nach dem Ausbau zweier Sohlschwellen im Unterlauf der Einmündung des neuen Gewässerlaufs in den bestehenden Erftflutkanal ist der neue Gewässerabschnitt für Fische und Wasserorganismen frei durchwanderbar und bietet zahlreichen Tier- und Pflanzenarten neue Lebensräume.