Blaue Infrastruktur
Gewässerrenaturierung und Abwasserbehandlung im Rheinischen Revier
Im Rheinischen Revier und damit auch im Rhein-Erft-Kreis steht mit dem geplanten Ausstieg aus der Braunkohle bis zum Jahr 2030 ein umfassender und notwendiger Strukturwandel bevor. Auch die Wasserwirtschaft sieht sich in diesem Kontext mit tiefgreifenden Herausforderungen und Veränderungen konfrontiert. Zu den zentralen Aufgaben gehören die Anpassung der Abwasserbehandlung an zukünftige Anforderungen sowie die Renaturierung von Fließgewässern. Diese Maßnahmen bilden die Grundlage für einen erfolgreichen ökologischen und wirtschaftlichen Wandel in der Region.
Das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union unterstützen diesen Prozess finanziell durch Fördermittel aus dem Just Transition Fund (JTF). Diese Mittel stehen gezielt für Projekte zur Verfügung, die die Verbesserung und den Schutz von Oberflächengewässern sowie die Weiterentwicklung der abwassertechnischen Infrastruktur vorantreiben.
Im Rahmen des Förderprogramms werden zurzeit die folgenden Projekte des Erftverbandes gefördert:
Gruppenklärwerk (GKW) Kenten: Errichtung einer Prozesswasserbehandlung
Das Vorhaben des Erftverbandes zur Errichtung einer zweistufigen Prozesswasserbehandlungsanlage in Bergheim-Kenten ist ein bedeutender Schritt zur nachhaltigen Verbesserung der Wasserqualität und zur Förderung einer ressourcenschonenden Wasserwirtschaft. Die Implementierung der Deammonifikation im Nebenstrom zur Stickstoffelimination bietet eine innovative und energieeffiziente Lösung, die nicht nur die Hauptstufe der Kläranlage entlastet, sondern auch die Reinigungsleistung optimiert. Eine bessere Ablaufqualität hat unmittelbare positive Auswirkungen auf das Einleitgewässer (Erft) und trägt zur Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts bei.
Der energieeffiziente Charakter der Deammonifikation, der durch den geringeren Bedarf an Belüftung und den Verzicht auf externe Kohlenstoffquellen erreicht wird, führt zu einer spürbaren Reduzierung des Energieverbrauchs. Dadurch sinken die Betriebskosten der Kläranlage, während die Gesamtenergiebilanz signifikant verbessert wird. Darüber hinaus bietet der geringere Energiebedarf die Möglichkeit, die Nutzung erneuerbarer Energien vor Ort zu intensivieren und den CO₂-Fußabdruck der Anlage zu reduzieren.
Durch die nachhaltige Optimierung der Reinigungsprozesse wird nicht nur die Belastung der Umwelt minimiert, sondern auch die langfristige Effizienz und Wirtschaftlichkeit der Anlage erhöht. Das Projekt stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der europäischen Klima- und Umweltschutzziele dar und zeigt exemplarisch, wie technologische Innovationen und ökologische Verantwortung in der Abwasserwirtschaft erfolgreich miteinander verknüpft
Gruppenklärwerk Grevenbroich: Verbesserung der Nährstoffelimination
Auf dem GKW Grevenbroich wird die biologische Hauptstufe mit ihren Prozessen zur Stickstoff- und Phosphorelimination ertüchtigt. Dadurch wird eine Verbesserung der Eliminationsleistung bei gleichzeitig verringertem Energiebedarf erreicht. Die mittleren Nährstoffkonzentrationen im Ablauf der Kläranlage werden weiter gesenkt. Diese Maßnahme leistet gemäß dem Bewirtschaftungsplan einen Beitrag zur Verbesserung des ökologischen Potenzials der Erft im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL).
Durch die Optimierung der vorhandenen Anlagentechnik wird die Effizienz der Abwasserbehandlung gesteigert. Gleichzeitig entstehen Leistungsreserven im Bereich der Abwasserreinigung, die im Zuge des wirtschaftlichen Strukturwandels in der Region Potenziale zur Ansiedlung von Gewerbe- und Industriebetrieben schaffen können. Dies fördert nicht nur die wirtschaftliche Entwicklung, sondern trägt auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bei.
Zusätzlich wird durch die Reduzierung der Nährstoffeinträge in die Erft das ökologische Gleichgewicht in den Gewässern unterstützt. Dies hat langfristig positive Auswirkungen auf die Biodiversität. Die Maßnahmen tragen somit nicht nur zur Verbesserung der Wasserqualität bei, sondern fördern auch die nachhaltige Entwicklung der Region. Die Kombination aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Vorteilen macht dieses Projekt zu einem wichtigen Baustein für eine zukunftsfähige Wasserwirtschaft und regionale Entwicklung.
Gruppenklärwerk Nordkanal: Neubau 4. Reinigungsstufe zur Reduktion von Mikroschadstoffen
Der Erftverband plant die Errichtung einer Anlage zur simultanen Dosierung von Pulveraktivkohle (PAK) in den Membranbioreaktoren (MBR) der Kläranlage Kaarst-Nordkanal. Ziel ist die Reduzierung von Mikroschadstoffen aus kommunalem Abwasser (PAK-MBR-Verfahren). Dieses Verfahren bietet gegenüber der PAK-Zugabe im konventionellen Belebtschlammverfahren den Vorteil des vollständigen Rückhalts der PAK im Belebungsbecken. Dadurch entfallen ein separates Kontaktbecken sowie eine nachgeschaltete Filteranlage.
Das PAK-MBR-Verfahren ist außerdem platzsparend. Dies ist insbesondere für die Kläranlage Nordkanal von Bedeutung, da dort die Flächenverfügbarkeit stark eingeschränkt ist.
Die Auslegung der Anlage basiert auf den Ergebnissen des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Bewertung und Optimierung des Betriebs von Membranbioreaktoren bei simultaner Pulveraktivkohle-Zugabe“ („MBR-AKTIV“, 2019–2021). Dieses Projekt lieferte wertvolle Erkenntnisse zur Effizienz und Betriebsoptimierung des Verfahrens. Im Rahmen des Maßnahmenprogramms der Wasserrahmenrichtlinie ist die Erweiterung der Kläranlage Nordkanal um eine vierte Reinigungsstufe bis spätestens 2025 vorgesehen.
Spurenstoffe können in konventionellen Kläranlagen nur unzureichend entfernt werden. Durch die Integration von PAK in den Membranbioreaktor werden die Mikroschadstoffe, wie Arzneimittelrückstände, Pestizide und Industriechemikalien, effizient adsorbiert und somit ihre Einleitung in natürliche Gewässer erheblich reduziert. Dies führt zu einer verbesserten Wasserqualität und trägt zur Erreichung der Umweltziele der EU-Wasserrahmenrichtlinie bei.
Zusätzlich bietet das Verfahren ökologische Vorteile durch die Vermeidung von nachgeschalteten Filteranlagen, da weniger Baumaterialien und Ressourcen benötigt werden. Insgesamt wird dadurch der ökologische Fußabdruck der Abwasserreinigung minimiert, was einen wichtigen Beitrag zur Förderung nachhaltiger und umweltfreundlicher Technologien darstellt.
Kläranlage Rödingen: Stilllegung und Überleitung des Abwassers zur leistungsfähigeren Kläranlage Elsdorf
Der Erftverband plant die Stilllegung der Kläranlage Titz-Rödingen und die Überleitung der dort anfallenden Abwässer zur leistungsfähigeren und größeren Kläranlage Elsdorf. Dieses Vorhaben soll eine effizientere und zukunftssichere Abwasserbehandlung gewährleisten. Zur Umsetzung des Projekts ist die Errichtung einer neuen Pumpstation mit einer zugehörigen Druckleitung erforderlich, um den sicheren und zuverlässigen Transport der Abwässer zur Kläranlage Elsdorf sicherzustellen. Gleichzeitig werden an der Kläranlage Elsdorf umfangreiche Anpassungen der Verfahrenstechnik vorgenommen, um die Kapazitäten zu erweitern und die Energieeffizienz der Abwasserreinigung deutlich zu steigern.
Ein zentraler Fokus der Maßnahmen liegt auf der Minimierung der ökologischen Auswirkungen der Abwasserreinigung, insbesondere auf den Finkelbach. Dieses Gewässer ist durch die Auswirkungen des Braunkohlenabbaus stark belastet. Durch die Entlastung des Finkelbachs und die Optimierung der Abwasserreinigung wird ein signifikanter Beitrag zur Verbesserung der Gewässerqualität und zur Wiederherstellung naturnaher Verhältnisse geleistet.
Zusätzlich trägt die gesteigerte Energieeffizienz der Kläranlage Elsdorf, unter anderem durch den Einsatz erneuerbarer Energien und energieeffizienter Technologien, zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele der Europäischen Union bei. Die Umstellung auf modernste Verfahren ermöglicht zudem eine nachhaltige Reduzierung des CO₂-Fußabdrucks der Abwasserwirtschaft.
Der Erftverband stellt im Rahmen des Projekts die Einhaltung aller wasserrechtlichen und umwelttechnischen Anforderungen sicher.
Für die Umsetzung der Überleitung sind umfangreiche Kanalbau- und Infrastrukturmaßnahmen notwendig. Diese Bauarbeiten werden voraussichtlich einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren in Anspruch nehmen. Parallel dazu werden die Modernisierungs- und Erweiterungsarbeiten an der Kläranlage Elsdorf durchgeführt.
Die Fertigstellung der gesamten Maßnahmen und die Inbetriebnahme der Überleitung sind derzeit für Ende 2025 geplant. Dieses Zeitfenster ermöglicht eine zügige Realisierung des Projekts, wobei höchste Standards in der Qualitätssicherung und Umweltschonung eingehalten werden.
Durch dieses Projekt wird nicht nur die Abwasserreinigung in der Region nachhaltig verbessert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur ökologischen und klimatischen Transformation im Rheinischen Revier geleistet.